Sie waren die ersten vier und galten lange Zeit als die einzigen, die sich in der TV-Landschaft als Seifenoper durchsetzen konnten: „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“, „Unter Uns“, „Verbotene Liebe“ und „Marienhof“. Doch nun ist die magische Zauberformel endgültig zerbrochen: Die ARD gab letzte Woche bekannt, den „Marienhof“ endgültig einzustellen. Geahnt hat man es schon seit längerem: bereits im Frühjahr gab es erste Gerüchte um ein mögliches Ende der Daily-Soap. Die Quoten waren in den letzten Jahren schon lange nicht mehr zufrieden stellend: 2007 schalteten noch 11.2% der 14-49 Jährigen ein, 2010 waren es nur noch 7.1%. In den letzten zehn Jahren haben sich die Quoten so gut wie halbiert: 2000 waren es noch 15.5%. Die erfolgreichste Folge mit dem Tod von Marco Busch im Februar 1997 erreichte rund vier Millionen Zuschauer – Zahlen, von denen die MH-Macher heute nur noch träumen können.
Zahlreiche Relaunch-Versuche (praktisch alle Kulissen wurden abgerissen und neu gebaut, neue Bildsprache, neues Licht, neuer Vorspann) halfen nichts, MH konnte die überlebenswichtige Marke von 10% Marktanteil bei den Jungen nicht mehr erreichen.
Mit Unterschriftenaktionen und Facebook-Protestgruppen hatten die Fans gekämpft, die Schauspieler hatten bis zum Schluss gebangt. Genützt hat es nichts. Mit MH wird erstmals hat ein Soapklassiker abgesetzt. Laut Medienexperten bleibt der Zuschauer an Seifenopern nur eine Zeit lang dran. Lediglich ein kleiner harter Kern bleibt langfristig im erarbeiteten Fanlager, länger als sechs bis sieben Jahren verfolgt fast niemand eine Soap, die in der Regel für eine Zielgruppe von 14 bis 20-Jährige ausgelegt ist. Da findet ständig ein Generationenwechsel statt.
Marienhof wurde erstmals am 1.10.92 ausgestrahlt, damals nur zweimal wöchentlich. Erst ab dem 02.01.95 wurde die Serie – mit dem Start der „Verbotenen Liebe“ – in eine Daily umformatiert. Mit Folge 4053 ist im Mai 2011 bei Marienhof zum letzten Mal „viel passiert“. Mit dem Ende verlieren 100 Mitarbeiter ihren Job.
Auch Amerika widerfuhr ähnliches Schicksal: Die weltweit am längsten ausgestrahlte Seifenoper „As the world turns“ (in Deutschland als „Jung und Leidenschaftlich“ bekannt) wurde im September 2010 nach 54 Jahren und 13'858 Folgen aufgrund sinkender Quoten abgesetzt. Die Soapfangemeinschaft war erschüttert.
Wieso scheiterte der Marienhof? MH stand – anders als GZSZ, AWZ oder UU – unter ständigem Beschuss der Sat.1-Telenovela „Anna und die Liebe“ und konnte letztlich die schwierige Konkurrenzsituation nicht mehr standhalten. Als schwerwiegendsten Einschnitt gilt der Schleichwerbungs-Skandal aus dem Jahre 2005, als bekannt wurde, dass unterschiedliche Firmen ihre Produkte unerlaubterweise in der Serie platziert und die Produktionsfirma dafür bezahlt haben. Unter anderem war im Reisebüro der Galerie des Marienhofs der Schriftzug "Nix wie weg" zu lesen, womit die grosse Fluggesellschaft TUI geworben hatte. Bavaria-Geschäftsführer Thilo Kleine musste daraufhin seinen Hut nehmen.
Es zeigt sich, dass auch feste Kultmarken nicht unantastbar sind. Zurück bleiben nur noch drei der langjährigen Soaps – wer ist der Nächste, der gehen muss? VL oder UU? UU ist quotentechnisch schon seit Jahren nur noch knapp auf dem Senderschnitt, die Ausgaben wurden massiv gekürzt (nur noch 8 statt 12 Arbeitsmonate, keine Aussendrehs, keine Jubiläums-Special mehr, siehe auch den Blogging-Eintrag über Holger Frankes Ausstieg) - Spielraum nach unten gibt es nicht mehr. Bei VL sehen die Quoten noch düsterer aus – noch nicht ganz so schlimm wie bei MH. Die Adels-Soap kriegt jetzt ihre grosse Chance: Mit dem Ende von MH sollen in Zukunft die VL-Folgen von 25 auf 45 Minuten aufgestockt werden und dramaturgisch in sich abgeschlossene Geschichten erzählen. Schon ab Januar 2011 gibt es drastische Änderungen: Statt wie bisher drei Handlungsstränge wird nunmehr auf zwei Ebenen erzählt. Ein "Voice over" führt aus der Perspektive einer Rollenfigur in das Thema der Folge ein. Es scheint ein Versuch zu sein, die Daily an die Nachmittags-Telenovela-Erfolgsschiene anzugleichen. Ausserdem spart das Geld: es ist deutlich billiger, eine einzige Serie für eine Stunde lang zu drehen als zwei halbstündige Serien parallel. Gerüchten zufolge soll in Zukunft die Hälfte der Serie auf Mallorca gedreht werden. Ob das ein Versuch ist, die ProSieben-Flopsoap „Mallorca“ aus dem Jahre 2000/2001 zu kopieren? Man kann nur zittern, dass die doch recht drastischen Änderungen die Sehgewohnheiten die Zuschauer nicht allzu sehr vor den Kopf stossen...
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